Bericht über den Vortrag von Bodo Mrozek

Amerikanisierung, Westernisierung, Europäisierung? Popgeschichte und die historiographischen Raumdebatten

Bodo Mrozek (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam)

Am 31. Oktober 2018 hielt Bodo Mrozek an der Université du Luxembourg einen Vortrag zur Frage der Transnationalität der Jugendkultur in den 1950er und 1960er Jahren.

Bodo Mrozek begann seine Ausführungen mit einer Einbettung des Themas in die historiographischen Debatten der 1990er Jahre. Er stellte fest, dass Debatten über Nationalgeschichte, vergleichende und transnationale Geschichte zur gleichen Zeit entstanden, wie die ersten Arbeiten über Popgeschichte. Die Paradigmen Amerikanisierung und Westernisierung sind als Folge dieser Debatten zu verstehen.

Amerikanisierungen und Anti-Amerikanisierung

Durch zeitgenössische Mode gab Bodo Mrozek zuerst ein Einblick in die Amerikanisierungsdebatten der 1950er Jahre in Großbritannien und in Deutschland. Nach dem Krieg entstanden neue Modetrends aus den USA, die bei jugendlichen Dandies und Teddy Boys aus der Arbeiterklasse und der Mittelschicht populär wurden. Die Zuschreibung der amerikanischen Mode wurde durch Filme, die hauptsächlich aus den USA kamen, verstärkt. Die Musik dieser Filmen, wie Rock around the clock trug auch dazu bei, die amerikanische Kultur in Europa zu verbreiten. Die europäischen Regierungen und die Kirche sahen sowohl Filme als auch Musik aus den USA als jugendgefährdend und versuchten deren Verbreitung zu regulieren. Amerikanisierungsangst war aber am meisten in der DDR zu spüren: Amerikanische Populärkultur wurde zum einen der Vergiftung der Jugend bezichtig, zum anderen wegen ihres dezidiert unpolitischen Charakters kritisiert. In ganz Europa kam es ebenso zu Gegenbewegungen, eine Art Anti-Amerikanisierung.

Westernisierung

In den 1960er kam es in Europa zu einem anderen Phänomen: Die Westernisierung. Kulturelemente aus Frankreich galten in Großbritannien und Deutschland als Vorbild für die subkulturelle Tendenz: Mods und Exis orientierten sich am französischen, vor allem Pariser Vorbild. Jazz war die damit verbundenen Musik. In den Clubs trafen sich Jugendliche, die einen bohèmenhaften Lebenstil folgten und Existentialismus als ihre Philosophie verstanden, zum Teil ohne sich tatsächlich mit dem Diskurs auseinanderzusetzen. Frankreich spielte Projektionsfläche für Subjektivierung jugendlicher Bildeten. In der DDR orientierte sich die Jugend auch am afro-amerikanischen und französischen Vorbild, ab 1965 entstanden neue Gruppierungen, die Veranstaltungen nach Pariser Vorbild organisierten, wie BspW. existenzialistische Knutschparties.

Europäisierung

In einem letzten Teil stellte Bodo Mrozek die bekannten Kategorisierungen bzw. Begriffe in Frage. Die sogenannte „Amerikanisierung“ ist folglich ihm nur eine monokausale Erklärung, da die kulturuellen Entwickungen nicht minder umstritten waren in den USA: Auch hier wurden Jeans heftig kritisiert. Filme wie ‚Denn sie wissen nicht, was sie tun’ und ‚Saat der Gewalt’ wurden auch von den Amerikanern scharf kritisiert. Amerikanisierung im Bereich der Musik ist zu relativieren, denn das Gros der verkauften Schallplatten blieb Schlager in Deutschland und Chansons oder Yéyés in Frankreich. Eine Westernisierung unter französischen Leitbild greift auch zu kurz, denn die Mods waren nicht nur an französischen, sondern auch afro-amerikanischen Sängern beeinflußt. Die Beatles wurden als Inkarnation britischer Musik verstanden, während sie sowohl im eigenen Land wie im Ausland erfolgreichen Acts betrachtet wurden. Mrozek rät zur Abkehr von nationalen Kategorien. Ihm zu Folge wäre demnach eher eine Inter- oder Transnationalisierung zu verzeichnen, jedoch gibt es innerhalb dieser Terminologie keine Patentlösung.

Julia Wack und Maude Williams