Vortragsbericht – Maja Figge, Figurationen von Deutschsein im bundesdeutschen Kino der fünfziger Jahre
Die „Artikulation von ‚Rasse‘ und Rassismus in fiktionalen Filmen der fünfziger Jahre“ veranschaulichte die Referentin am Beispiel von zwei Filmen: „Die große Versuchung“ aus dem Jajhr 1952 und der Musikfilm „Die große Chance“ von 1957. Dabei ging es ihr darum, aufzuzeigen, wie durch die „Figurationen weißer Männlichkeit“ ein neues Selbstbild entworfen wurde, das zur „Bewältigung“ der NS-Vergangenheit beitragen sollte, wie dabei aber gleichzeitig unter Leugnung, rassistisch zu sein, Bilder des Rassismus verwendet wurden. So sei der Mythos der Abwesenheit des Rassismus aufzudecken. In „Die große Versuchung“ wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der als „Spätheimkehrer“ eine Stelle als Arzt annimmt, obwohl ihm aufgrund seines durch den Krieg unterbrochenen Studiums noch die Approbation fehlt. Maja Figge sieht die Figur des Arztes als „krank“, slawiziert“ und „effiminiert“ gekennzeichnet und deutet seine Selbstanzeige, die schließlich zum „happy end“ führt, als „Überwindung von Krankheit“, aber auch als Annahme „deutscher weißer Männlichkeit“, als „Weißwerden“. In „Die große Chance“, einem Musikfilm, wird die Erlösung von Schuld durch die Aneignung schwarzer Musik (Jazz, Spiritual) erreicht. Es geht unter anderem um die Debatte über Jazz in der Kirche. Im Verlauf des Films können verschiedene Szenen als Bilder für „Schwarzwerden“ interpretiert werden, so etwa eine Szene im Jazzkeller, bei der der Bandleader Water Giller mit einem „Lippenansatz wie bei Armstrong“ dargestellt wird oder Jugendliche in der Kirche durch das Singen von Spirituals in der Kirche zu „white negroes“ werden. Diese beiden, auf den ersten Blick kaum mit dem Thema Rassismus in Zusammenhang zu bringenden Filme deutete die Referentin als Zeichen der „farbenblinden” bundesdeutschen Selbstentwürfe, die die NS-Verbrechen ausblendete und de koloniale Vergangenheit als unerheblich auffasste.
Gunter Mahlerwein