Nachruf: Prof. Dr. Volker Barth


Nachruf: Prof. Dr. Volker Barth

Mit Bestürzung haben wir als Mitglieder der deutsch-luxemburgischen Forschungsgruppe “Populärkultur transnational - Europa in den langen 1960er Jahren” vom plötzlichen Tod unseres Kollegen Volker Barth nur wenige Tage vor seinem 47. Geburtstag erfahren.

2020 war er auf den Lehrstuhl für Kultur- und Mediengeschichte an der Universität des Saarlandes berufen worden. Damit hatte sich die Hoffnung verbunden, in unsere DFG-FNR-Forschungsgruppe einen kompetenten, engagierten, innovativen und exzellenten Forscher zu gewinnen. Gleich nach seiner Berufung hatte er sich mit Begeisterung bei “Populärkultur transnational” eingebracht und sich im Herbst letzten Jahres erfolgreich an die Antragstellung einer zweiten Förderungsphase für 2021 bis 2024 beteiligt: sein Teilprojekt zum “Alltag der Revolte” in französischen und westdeutschen Landkommunen der langen 1960er Jahre wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt. Seine kultur- und medienhistorischen Ansätze und Themen wie auch seine ausgeprägte Westeuropa- und Frankreich-Orientierung stellten für unsere Forschungsgruppe, aber für das Historische Institut und den Europaschwerpunkt der Universität des Saarlandes, einen großen Mehrwert und eine riesige Chance dar, neue Ideen und Projekte zu entwickeln.

Volker Barth, am 23. April 1974 im saarländischen Wadern geboren, hat von 1994 bis 1999 an den Universitäten München und Paris I ein Magister- bzw. Maîtrise-Studium in den Fächern Geschichte und Romanistik absolviert. Es folgte 2004 die mit Bestnote abgeschlossene Doppel-Promotion zwischen der Ludwig-Maximilians-Universität München und der École des Hautes Études en Sciences Sociales zum Thema “Mensch vs. Welt - Die Pariser Weltausstellung von 1867”. 2017 legte er an der Universität Köln eine Habilitationsschrift über “Wa(h)re Fakten - Wissensproduktionen globaler Nachrichtenagenturen 1835-1939” vor und erhielt die Venia legendi für Neuere und Neueste Geschichte.

Seit den frühen 2000er Jahren hat Volker Barth zahlreiche Erfahrungen als Fellow und Wissenschaftlicher Mitarbeiter verschiedener deutscher und französischer Forschungsinstitutionen machen können. Von 2008 bis 2012 war er als Wissenschaftlicher Assistent, von 2012 bis 2016 als Akademischer Rat a.Z. am Historischen Institut der Universität Köln tätig, anschließend übernahm er dort für mehrere Semester die Vertretung des Lehrstuhls für Internationale Geschichte. Über viele Jahre hinweg hat er sich als Sprecher und Vertreter des akademischen Mittelbaus im Vorstand des Kölner Historischen Instituts engagiert. Weitere internationale Erfahrungen hat er seit 2018 durch Gastdozenturen an der Tallinn-University in Estland gesammelt.

In der Community der Neuzeit-Historikerinnen und -Historiker stand Volker Barth für einen zeitlich wie thematisch beeindruckend integrativen Ansatz, der die gesamte Epoche von Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des 20. Jahrhunderts berücksichtigte und der untersuchte Phänomene nie isoliert, sondern stets im Spannungsfeld von Politik- und Sozial-, von Kultur- und Mediengeschichte betrachtete. Seine Publikationen zeugen von origineller Themenfindung, bewegen sich am Puls laufender historiographischer Debatten und verbinden mustergültig akribische Quellenrecherche in in- wie ausländischen Archiven mit grundsätzlichen erkenntnistheoretischen und konzeptionellen Überlegungen. Auch deshalb werden die Studien von Volker Barth dauerhaft einen Mehrwert für die historische Forschung haben.

Dies gilt für Dutzende Abhandlungen zu diversen Themen der Kolonial-, Journalismus-, Technik-, Körper- oder Konsumgeschichte, erst recht für die drei veröffentlichten Monographien: seine 2007 erschienene Dissertation zur Pariser Weltausstellung von 1867, die durch eine ganz neue Sicht auf das Großereignis besticht, nicht zuletzt das kreativ-subversive Aneignen des dargebotenen Welt- und Fortschrittsspektakels durch Besuchermassen fokussiert; seine 2019 publizierte Habilitation “Wa(h)re Fakten”, die das Austauschbündnis der vier großen Nachrichtenagenturen Havas, Reuters, Wolff und Associated Press seit Mitte des 19. Jahrhunderts als effiziente Strategie im gemeinsamen Kampf um Aufmerksamkeit im mehr und mehr globalen Nachrichtenmarkt interpretiert; sein 2013 vorgelegtes drittes Buch “Inkognito - Geschichte eines Zeremoniells”, das überaus anregend mikrohistorische dichte Beschreibungen über ein Kernelement höfischer Reisekultur von den mittelalterlichen Anfängen bis in das 20. Jahrhundert mit soziologischen und kulturanthropologischen Reflexionen zu verknüpfen weiß.

Mit Volker Barth hatten wir als Kolleginnen und Kollegen zahlreiche wissenschaftliche Vorhaben für die nähere Zukunft anvisiert: im Rahmen unserer deutsch-luxemburgischen Forschungsgruppe “Populärkultur transnational - Europa in den langen 1960er Jahren” wie auch darüber hinaus. Dazu wird es nun leider nicht mehr kommen können.

Wir sind in Gedanken bei seiner Familie und sprechen unser tiefstes Mitgefühl aus.